Heller als tausend Sonnen by Robert Jungk

Heller als tausend Sonnen by Robert Jungk

Autor:Robert Jungk [Jungk, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783688100484
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2016-10-04T23:00:00+00:00


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Einige Tage vor dem ersten Bombentest blieb es in Alamogordo auch den Ehefrauen und Kindern der Atomforscher in Los Alamos nicht verborgen, daß sich etwas besonders Wichtiges und Aufregendes vorbereitete. Das Deckwort, unter dem der Test lief, hieß «Trinity». Weshalb man die Blasphemie beging, gerade in diesem Zusammenhang den Namen der Dreifaltigkeit zu wählen, ist bis heute nicht bekannt. Die eine Vermutung ist, «Trinity» sei der Name einer bei Los Alamos gelegenen verfluchten und daher von den abergläubischen Indianern aufgegebenen Türkis-Mine gewesen. Eine andere behauptet, man habe ihn gewählt, weil damals die ersten drei Atombomben kurz vor der Fertigstellung waren. Auf diese höllische Dreiheit und nichts anderes habe sich der Codename bezogen.

Unter den in Los Alamos arbeitenden Atomwissenschaftlern drehte sich das Hauptgespräch natürlich um die Frage: Wird das «gadget» – man vermied scheu das Wort «Bombe» – funktionieren oder nicht? Die Mehrheit zeigte Vertrauen in die theoretischen Voraussagen. Ein Versagen mußte jedoch immer in Rechnung gestellt werden. Alvarez, der Konstrukteur des «trigger» der Bombe, hatte allzu siegesgewissen Kollegen oft genug erzählt, wie 1943 seine Anlage für Blindlandung gerade bei der Vorführung vor den Militärbehörden nicht weniger als viermal versagt habe, ehe sie schließlich doch funktionierte.

Die Frage, ob die erste fertige Bombe ein Versager oder ein «Erfolg» sein würde, oder, wie man in Los Alamos zu sagen pflegte, ein «Mädchen» oder ein «Junge», war so spannend, daß sie zum Vorwand für ein nettes kleines Spiel mit dem Entsetzen wurde. Lothar W. Nordheim, ein Atomphysiker, der noch zur alten «Göttinger Garde» gehört hatte, erzählt: «Die Wissenschaftler in Los Alamos richteten vor dem ersten Test am 16. Juli 1945 eine Wettkasse ein. Es ging um die Größe der Explosion, aber die meisten Schätzungen waren viel, viel zu niedrig mit Ausnahme von ein oder zwei wilden Vermutungen.»

Die einzige, fast richtige Schätzung machte Oppenheimers Freund Robert Serber, der eine Zeitlang nicht in Los Alamos gewesen war. Als man ihn später fragte, warum gerade er annähernd korrekt getippt habe, antwortete er: «Eigentlich nur aus Höflichkeit. Ich wollte als Gast eine schmeichelhaft hohe Zahl nennen.»

In einem Memorandum, das General Groves am 30. Dezember 1944 an Generalstabschef Marshall geschickt hatte, war diese Unsicherheit über die wirkliche Zerstörungskraft der neuen Bombe greifbar deutlich hervorgetreten. Im ersten Absatz seiner Mitteilung hatte Groves zwar angegeben, daß man hoffe, eine Bombe herzustellen, deren Wirkung der von 10000 Tonnen «gewöhnlichen» Sprengstoffs entsprechen werde. Aber schon im folgenden Absatz hatte er diese Voraussage dahingehend eingeschränkt, daß die voraussichtlich im Juli 1945 fertige Bombe wohl nur 55 Tonnen Sprengkraft entwickeln werde.

Oppenheimer hat am 4. Dezember 1959 in der Zeitschrift «Science» erstmals ausführlich zu dieser Frage Stellung genommen. Er schreibt: «Anfang Juli waren wir bereit, die erste Bombe auszuprobieren. Aber selbst zu diesem Zeitpunkt waren unsere Schätzungen über ihre Stärke ziemlich ungewiß und meist ziemlich niedrig. Die überwältigende Mehrheit machte Schätzungen von unter einigen tausend Tonnen; besonders Zahlen von Hunderten Tonnen waren verbreitet.»

In Wahrheit aber entwickelte dann die erste erprobte Bombe eine Sprengkraft zwischen 17000 und 20000 Tonnen Dynamit, zehn-, zwanzig-, dreißig-, ja bis zu hundertmal



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